Zwischen Avantgarde und Nostalgie: Neue Impulse im Underground und die Rückkehr der 60er-Legenden

Die aktuelle Musiklandschaft zeigt sich derzeit von zwei extrem unterschiedlichen Seiten. Während im experimentellen Hip-Hop neue, geografisch verschwimmende Sounds definiert werden, bereitet sich die Nostalgie-Branche auf eine emotionale Tournee im Jahr 2026 vor, die das Erbe der 60er Jahre ohne einige ihrer wichtigsten Gründerfiguren fortführen muss.

Grenzgänger des Next-Gen-Rap

Im Kosmos des Labels „10k“, das von MIKE kuratiert wird und Künstler wie El Cousteau, Sideshow und Anysia Kym beheimatet, sticht ein Name besonders hervor: Niontay. Er scheint den Finger am Puls der wohl wildesten und eigenwilligsten Strömungen des aktuellen Rap-Untergrunds zu haben. Spätestens seit seinem lautstarken Debüt mit dem Track „Real hiphop“, einer Kollaboration, für die er Earl Sweatshirt und MIKE in ein für sie ungewohnt gewagtes Umfeld zog, hat sich Niontay einen Ruf als Vorreiter erarbeitet. Mit Projekten wie Dontay’s Inferno und Fada<3of$ festigte er diesen Status.

Sein Sound ist dabei kaum lokal zu verorten, was wohl seiner Biografie geschuldet ist. Geboren in Milwaukee, aufgewachsen in Zentralflorida und mittlerweile in Brooklyn ansässig, lässt er diese Stationen in seine Musik einfließen. Das Ergebnis ist eine hybride Klangästhetik: Chipmunk-Flows und gleichermaßen zwitschernde Beats schlagen eine Brücke zwischen der schnellen Rhythmik Floridas, dem Detroit Cloud Rap und den vernebelten Elementen der jungen New Yorker Alternative-Szene.

Düstere Ecken auf „Soulja Hate Repellant“

Auf seinem neuesten Tape Soulja Hate Repellant wird dieser Kontrast noch deutlicher. Unterstützt von 454, der hier unter seinem Alter Ego „Gatorface“ als Host fungiert, weicht Niontay zwar nicht radikal von seinem etablierten Stil ab, lotet aber dessen tiefste und trübste Ecken aus. Sein Markenzeichen – eine nuschelnde, nasale Stimme, die Textzeilen mitunter fast unentzifferbar macht – wirkt hier schneller, verschwommener und zugleich durchdringender.

Die Beats stammen von einer Gruppe gleichgesinnter New-Age-Underground-Produzenten, darunter Harrison von der Surf Gang, der junge Dylvinchi aus Raleigh sowie Wildcards wie der Jay-Critch-Kollaborateur Laron. Tracks wie „Rockoutcentury“ etablieren schnell die zentrale Idee des Tapes: ruhige 808s und nostalgische Synth-Pads, die kaum variieren. Dabei bleiben die Stücke auf Soulja Hate Repellant nie lange genug bestehen, um zu ermüden.

Ein Klassiker formiert sich neu

Während Niontay die Zukunft des Rap dekonstruiert, blickt ein anderer Teil der Industrie weit zurück. Das Line-up für die 16. Ausgabe der „Happy Together Tour“, die traditionell Pop-Acts der 60er Jahre feiert, wurde nun mitsamt ersten Terminen für 2026 bekanntgegeben. Benannt nach dem Nummer-1-Hit der Turtles vom März 1967, startet die neue Ausgabe Ende Mai und umfasst rund 50 Konzerte bis in den September hinein.

Die Tour 2026 bringt einige bemerkenswerte personelle Veränderungen mit sich. So kehren The Association zurück, nachdem sie die Ausgabe 2025 ausgelassen hatten. Ebenfalls wieder mit dabei sind Gary Puckett, The Vogues und The Cowsills. Eine besondere Rolle kommt Ron Dante zu, der Stimme der Archies.

Das schwere Erbe der Turtles

Der kommende Konzertsommer steht jedoch auch im Schatten eines Verlustes. Ron Dante hatte bereits in den letzten Jahren Songs der Turtles gemeinsam mit Gründungsmitglied Mark Volman performt. Volman, der 2025 nicht mehr auftreten konnte, verstarb im vergangenen September. Da sich sein Mitgründer Howard Kaylan bereits vor einigen Jahren in den Ruhestand verabschiedet hat, wird Dante nun weiterhin sowohl die Hits der Archies als auch die der Turtles interpretieren.

Trotz der Abwesenheit der Originalmitglieder gab es am 11. Dezember auf der offiziellen Facebook-Seite der Turtles ein klares Bekenntnis zur Fortführung der Tournee. Man wolle den anderen fantastischen Künstlern des Line-ups gratulieren und sende die volle Unterstützung. Die Botschaft unterstrich die Hoffnung, dass das Vermächtnis der „Happy Together Tour“ auch in Zukunft für Spaß, Erinnerungen und Unterhaltung sorgen werde. Es ist ein Spagat zwischen Trauer und der Feier zeitloser Musik, den die Tour 2026 zu bewältigen hat.